2021
a5943Genügsamkeit
© Kardinal König Haus
24.12.2021 | Weihnachtsgruß 2021
Freude und Frieden sind Zielsetzungen, die nicht nur zu Weihnachten angestrebt werden wollen. Ich hoffe, dass trotz aller derzeitigen Einschränkungen die Lebensqualität im Alltag immer stärker im Mittelpunkt stehen kann, nicht die Quantität in den Möglichkeiten des Konsums und der Vergnügungen. Einfachheit und Genügsamkeit lassen uns mehr das Kleine würdigen und dankbar werden für die Geschenke des Alltäglichen – auch in dieser schwierigen Zeit der Corona-Pandemie. Papst Franziskus betont in seiner Enzyklika Laudato sí diese inneren Grundhaltungen, wenn er von Genügsamkeit und Erfüllung spricht.
„Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. Sie bedeutet nicht weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil. In Wirklichkeit kosten diejenigen jeden einzelnen Moment mehr aus und erleben ihn besser, die aufhören, auf der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicken: Sie sind es, die erfahren, was es bedeutet, jeden Menschen und jedes Ding zu würdigen, und die lernen, mit den einfachsten Dingen in Berührung zu kommen und sich daran zu freuen. So sind sie fähig, die unbefriedigten Bedürfnisse abzubauen, und reduzieren die Ermüdung und das versessene Streben. Man kann wenig benötigen und erfüllt leben, vor allem, wenn man fähig ist, das Gefallen an anderen Dingen zu entwickeln und in den geschwisterlichen Begegnungen, im Dienen, in der Entfaltung der eigenen Charismen, in Musik und Kunst, im Kontakt mit der Natur und im Gebet Erfüllung zu finden. Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet.“ (Laudato sí, 223)
Mit diesen herausfordernden und ermutigenden Gedanken wünsche ich Ausdauer und Erfolg dabei, mit achtsamer Rücksicht auf Menschen und auf unsere Umwelt, eine zufriedene Genügsamkeit zu entwickeln und gemeinsam mit anderen im alltäglichen Leben und in der Gesellschaft große Werte vertrauensvoll zu bezeugen. Weihnachten, das Kommen Gottes in unsere Welt, möchte dazu eine Haltung des Herzens stärken.
Mit herzlichen Grüßen aus dem Kardinal König Haus wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie Freude, Frieden, Genügsamkeit und vor allem gute Gesundheit im neuen Jahr.
P. Friedrich Prassl SJ
Alles in Christus neu sehen
© Kardinal König Haus - Sr. Christa Huber CJ
25.12.2021 | Ignatius von Loyola
Wunde und Verwandlung
Am 20.05.2021 eröffnete der Generalobere der Jesuiten, P. Arturo Sosa, ein Jubiläumsjahr: 500 Jahre seit der Bekehrung des Hl. Ignatius von Loyola – die Erinnerung an einen längeren Um - wandlungsweg. Was ist damals geschehen? Am 20. Mai 1521 überredet Ignatius mit großer Überzeugungskraft seine Mitstreiter dazu, die Festung Pamplona gegen die Franzosen zu verteidigen. Doch seine Euphorie wird jäh gebremst, eine Kanonenkugel zerschmettert sein Bein. Körperlich eine schlimme Wunde, biographisch eine Vollbremsung im Leben, das Ende der Karriere und der Lebenspläne. Ignatius ist 30, eine Zeitlang ist er in Lebensgefahr.
Wie kam es, dass sein Leben in eine Verwandlung und nicht in eine Verbitterung geführt hat? Er hat vieles durchgemacht, körperliche Schmerzen, Enttäuschung, später in Manresa auch eine sehr dunkle Zeit, in der er seinem Leben am liebsten ein Ende gemacht hätte. Die Fehler seines Lebens verfolgen ihn, quälen ihn, und in seiner Aussichtslosigkeit ist sein Gebet geradezu ein Schrei um Gottes Hilfe.
Aber an dem Punkt, an dem er sich am schwächsten fühlt, erlebt Ignatius die Befreiung, erfährt er die Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Seine Umgebung spürt, dass er ganz neu ins Leben gefunden hat. Ignatius ist offen und reflektiert viel. Er erzählt, er erlebe Gott jetzt wie einen Lehrer. Ihm werden tiefe Einsichten zuteil: Wie sehr Gott in allem gegenwärtig ist. Wie alle Dinge in der Schöpfung für ihn, Ignatius, geschaffen sind, wie alle Erlebnisse seines Lebens nur das Ziel haben, dass er näher zu Gott geführt werde. Alles erschien ihm in neuem Licht (vgl. Bericht des Pilgers, 30).
Ignatius ist nicht nur Mystiker, sondern auch Seelsorger. Dass Gott ihn gerettet und verwandelt hat, will er nicht für sich behalten. Er entwickelt Geistliche Übungen – Exerzitien – und geht davon aus, dass eine unmittelbare Gottesbegegnung auch für andere möglich ist. Am Anfang stand eine Wunde. Doch es wäre nicht richtig, die Wunde und die Verwandlung in eins zu setzen, oder gar die Wunde zu verherrlichen. Jede Wunde im Leben will ernst genommen und betrauert werden. Im Moment der Verwundung ist etwas Gutes zerstört. Nicht die Wunde ist gut, aber der Weg nach der Wunde kann wieder zu etwas Gutem führen.
Es ist erstaunlich, dass aus einer Wunde etwas Weltbewegendes werden konnte. Ein Mensch, dessen Spuren noch 500 Jahre später in dieser Welt wirken. In den Exerzitien gibt Ignatius den Menschen von heute die Möglichkeit zu Verwandlungsprozessen: mehr in die Freiheit wachsen, neu zu sich selbst finden, die Liebe durchbrechen lassen, alle Dinge mit den Augen Gottes neu sehen lernen.
Sr. Christa Huber CJ
© Kardinal König Haus - P. Josef Maureder SJ
Jesuiten heute: Wie sehen sie ihren Einsatz in der Welt?
Die vier apostolischen Präferenzen des Jesuitenordens
Jesuiten heute: Wie sehen sie ihren Einsatz in der Welt? Die vier apostolischen Präferenzen des Jesuitenordens Ignatius von Loyola hat vor 500 Jahren als Soldat eine grundlegende Umwandlung erfahren und sein Leben neu gestaltet. Aufgrund der „Exerzitien“, ein geistlicher Übungsweg, den der Baske als Erbe hinterlassen hat, konnten viele Menschen in den vergangenen Jahrhunderten ebenfalls die Richtung ihres Lebens und Einsatzes für die Menschen neu sehen und bestimmen. Wie ist das heute für den Jesuitenorden und all die Menschen, die mit Jesuiten auf der ganzen Welt in deren Werken zusammenarbeiten?
Der Generalobere der Jesuiten hat mit seinem Leitungsteam vier apostolische Präferenzen als leitend für die kommenden zehn Jahre beschrieben. Sie sind Frucht gemeinsamen Betrachtens der Welt im Geist Jesu Christi. Also, wie ER wohl die Not der Welt beschreiben würde, wohin ER heute die Seinen schicken würde, um den Menschen zum Leben zu verhelfen.
Vier Jesuiten veranschaulichen mit ihrem aktuellen Einsatz eine dieser vier Präferenzen in der neuen Jesuitenprovinz ECE (Zentraleuropa):
Erste Präferenz
Zum Glauben ermutigen (P. Josef Maureder SJ, Exerzitienleiter, Wien)
Menschen mit den Exerzitien und der Unterscheidung der Geister den Weg zu Gott zeigen.
„Früh hatte ich die Exerzitien des Ignatius kennengelernt. So wollte auch ich Gott suchen und finden! Mit achtzehn bin ich 1979 in den Orden eingetreten. Ob in der Berufungspastoral, als Novizenmeister oder jetzt in der Leitung des Bereichs Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien: ich möchte Menschen zu Christus begleiten. Er macht unser Leben heil! Die Exerzitien und die Unterscheidung der Geister sind eine große Hilfe auf diesem Weg.“
Zweite Präferenz
Soziales Engagement (P. Claus Pfuff SJ, Flüchtlingsseelsorger, Berlin)
An der Seite der Benachteiligten sein, Gerechtigkeit und Versöhnung suchen.
„Flüchtlinge hören oft: ‚Das geht nicht! Du kannst das nicht! Nicht für Dich!‘ Da braucht es jemand, der den Standpunkt Jesu einnimmt und fragt: ‚Und was willst Du? Das geht schon! Du kannst das.‘ Wenn dann jemand Mut fasst, aufsteht und sein Leben wieder selber gestaltet, ist etwas Großartiges geschehen. Solche Momente ermutigen mich und zeigen, wie reich mein Leben ist. Ich wünsche mir dann, dass möglichst viele Menschen so etwas erleben.“
Dritte Präferenz
Einsatz für die Jugend (P. Hans-Martin Rieder SJ, Kollegsdirektor, St. Blasien)
Jugendliche und junge Erwachsene bei der Gestaltung einer hoffnungsvollen Zukunft begleiten.
„In meinem persönlichen Lebensweg haben mir das Gebet und die ignatianische Spiritualität mit den Exerzitien und dem Suchen nach Gottes Spuren in meinem Leben entscheidend geholfen. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass jungen Menschen nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern sie zudem befähigt werden, eine Gottesbeziehung aufzubauen und sie ihren ganz eigenen Platz im Leben finden, um dann Verantwortung für diese unsere Welt zu übernehmen.“
Vierte Präferenz
Sorge um die Zukunft der Erde (P. Martin Föhn SJ, Erwachsenenbildung, Zürich)
Auf biblischem Fundament für den Schutz und die Erneuerung von Gottes Schöpfung wirken.
„Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe Landwirt gelernt. 2010 trat ich in den Orden ein. Heute arbeite ich in der Erwachsenenbildung für den Pastoralraum Basel-Stadt. Bewusst verbunden zu sein mit der Schöpfung und dankbar zu sein, dass sie mich umgibt, ist zentral für mich. Der Schutz der Erde, die Grundlage unseres Lebens, soll überall eine Rolle spielen, wo Jesuiten zusammenleben und arbeiten.“
Diese vier Präferenzen sind ein anhaltender und ständiger Ruf zur Umkehr, persönlich, gemeinschaftlich, institutionell. Sie sind auch für uns im Kardinal König Haus wichtig: für Jesuiten und Mitarbeiter*innen, für die Programmgestaltung, in kleinen und größeren Entscheidungen. Sie können ein wenig helfen, alles in Christus neu zu sehen.
P. Josef Maureder SJ
Wofür?
© Kardinal König Haus
6.12.2021 | Reflexion zum Prozess der Neugründung der Jesuitenprovinz Europa Centralis
Probieren Sie es aus! Welche unterschiedlichen Gefühle löst es bei Ihnen aus, wenn Sie sich vorstellen, dass jemand zu Ihnen sagt: „Du hast dich angepasst.“, „Du hast dich verändert.“ oder „Du hast dich entwickelt.“ So wie vermutlich bei Ihnen durch diese Begriffe unterschiedliche Ebenen angesprochen werden, so geht es auch Organisationen, wenn man diese als lebendige soziale Systeme versteht. Im Begleiten von Prozessen in Organisationen begegnet man allen drei Dimensionen. So war dies auch beim Prozess zur Gründung der neuen Provinz Europa Centralis.
„Im Dienst der Universalen Sendung“ zu stehen, ist der Anspruch, unter dem der Jesuitenorden weltweit die Strukturen der Provinzen reflektiert und neu ordnet. Seit 2017 haben sich die Provinzen in Deutschland, (Schweden), Litauen-Lettland, Österreich und in der Schweiz dieser Aufgabe gestellt und diese bewusst als gemeinsame Neugründung einer Provinz verstanden. Am 27. April 2021 wurde die Provinz Europa Centralis (ECE) errichtet.
© Kardinal König Haus
„To better serve the mission“ – dieser Auftrag von P. General war es, der diesem Prozess immer wieder Orientierung auf die Grundintention gab und eine Hilfe war, die Art und Weise des Vorangehens zu gestalten. Die Steuerungsgruppe hatte sich deshalb entschieden, nach einem Organisationsmodell vorzugehen, das vier Schichten (siehe Grafik: Organisationsmodell Managementcenter Vorarlberg (MCV)) unterscheidet und das den Existenzgrund der Organisation – das, wofür es die Organisation überhaupt gibt - ins Zentrum stellt. Die Orientierung an diesem Modell half dabei, den Prozess als Geistlichen Prozess zu gehen, um miteinander nach dem zu suchen, was in der jetzigen Situation wohl mehr dem Willen Gottes entsprechen könnte.
Die Sendung als Existenzgrund der neuen Provinz Europa Centralis war Kompass für das Vorgehen im Prozess und für die Gestaltung der neuen Strukturen. Die leitende Frage war: Wo und wie können Jesuiten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute präsent, relevant und wirksam sein? Spiritualität, Bildung und Soziales/Ökologie wurden als drei große Felder identifiziert. In Zukunftsworkshops und auf einem Provinzsymposium wurden diese bearbeitet. Diese Überlegungen und Vorgehensweise haben maßgeblich dazu beigetragen, die Leitungsstrukturen der Provinz nicht regional sondern nach apostolischen Feldern zu ordnen. Gleichzeitig wurde bewusst, dass diese Ausrichtung auf das Apostolat nicht einmalig durch das Schaffen von Strukturen geschieht, sondern als kontinuierlicher Prozess im Ablauf Apostolischen Planens und Wirkens etabliert werden muss.
Für die Transformation zu einer gemeinsamen Kultur der neuen Provinz ECE war ein Bild von entscheidender Bedeutung: Nicht vier Provinzen, sondern 36 Kommunitäten kommen zusammen. Auf einer eigens erstellten Landkarte wird dies deutlich: in dem Gebiet der neuen Provinz sind keine nationalen Grenzen oder jene der bisherigen Provinzen eingezeichnet, sehr wohl aber die Standorte der Kommunitäten (siehe Abbildung Landkarte). Im Prozess wurde dieses Zusammenwachsen auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht und unterstützt: Die Steuerungsgruppe hat an unterschiedlichen Orten in allen Ländern getagt und dabei immer die Jesuiten am jeweiligen Ort zu einem Gesprächsabend getroffen. Es wurde ein Heftchen für ein gemeinsames Tischgebet in den Kommunitäten erstellt, in allen Sprachen der Provinz: Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Lettisch, Litauisch und Schwedisch. Das „Formation Gathering“ aller Jesuiten in Ausbildung war einmal ganz dem Thema der Errichtung der neuen Provinz gewidmet. Elemente ignatianischer Spiritualität waren in die Begegnungen und Planungen integriert: Stille, Unterscheidung, Entscheidung in Gemeinschaft, Spirituelle Konversation.
Markant sichtbar werden die Neuerungen durch die neue Provinz auf der Ebene der Ordnung. Neu geschaffen wurde die Funktion von Delegaten für einzelne Apostolatsbereiche und jesuitisches Leben. Sie haben die ganze Sendung der Gesellschaft Jesu im Blick, das gemeinsame Leben als Gefährten in einer Sendung der Versöhnung und der Gerechtigkeit, die Stärkung des kommunitären Lebens und die gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist der Versuch, die Strukturen der Provinz von der Sendung her zu gestalten. Intensiv und aufwändig war die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zur Errichtung der neuen Provinz und die Entwicklung einer praktikablen Verwaltungsstruktur. Zur Übersicht über die technisch-wirtschaftlichen Ressourcen der neuen Provinz wurde ein interner Audit-Bericht aller Kommunitäten und Werke erstellt. Eine Arbeitsgruppe hat die administrativen Voraussetzungen der Provinz geschaffen.
An den vier Dimensionen einer Provinz als Organisation wurden im Prozess immer wieder die unterschiedlich notwendigen Weisen des Vorgehens spürbar. Manches musste angepasst einiges verändert werden, vieles aber kann sich nur entwickeln, damit aus dem, was ist, etwas gemeinsames Neues entstehen kann. Die Spannung zwischen diesen unterschiedlichen Logiken und Geschwindigkeiten der Transformation war daher Teil der Dynamik dieses Weges. Alle aber erfordern Haltungen, die einen solchen Weg zu einem geistlichen Prozess werden lassen können. Es war immer wieder die Kunst der Unterscheidung gefragt, der Mut zu klaren und einmütigen Entscheidungen und die Entschiedenheit in der Umsetzung. Gleichzeitig verlangte und verlangt der Prozess von allen Beteiligten Offenheit, Zuhören, Sich-Einlassen und Vertrauen.
Der Prozess der Schaffung der Provinz Europa Centralis ist mit ihrer Errichtung am 27. April 2021 nicht abgeschlossen. Anpassung, Veränderung und Entwicklung wird weitergehen. Die zentrale Frage „Wofür?“ wird – so ist zu hoffen - das Hören auf Gottes Wille wachhalten.
Georg Nuhsbaumer
NEUER ANFANG TROTZ ALLZU BEKANNTER UMSTÄNDE
© Kardinal König Haus
26.11.2021 | Impuls zum Beginn der Adventszeit
Das neue Kirchenjahr, das mit dem ersten Adventsonntag beginnt, fängt wieder mit einem „Lockdown“ an. Diesen „Neuanfang“ haben sich heuer viele sicher anders vorgestellt bzw. gewünscht. Wir erinnern uns an den ersten Lockdown im Frühling 2020 mit einer unwirklich erscheinenden Vollbremsung unseres alltäglichen privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Lebens. Beim aktuellen, schon vierten Lockdown wird wohl – anders als beim ersten Mal – kaum jemand sagen, dass diese erzwungene Entschleunigung guttut, dass weniger Termine, weniger Verabredungen, weniger Verpflichtungen zu mehr Zeit für sich selbst, für die Familie, für Freunde oder für Gott führen. Ein Neubeginn sieht anders aus.
Corona ist dem Gefühl nach nicht mehr die große Krise, sondern nach 21 Monaten leider schon fast Alltag mit vielen Einschränkungen geworden. Zwischendurch durften wir ein wenig Normalität schnuppern, Hoffnung schöpfen, dass alles bald vorbei sein wird. Wir haben schon erwartungsvoll und hoffnungsvoll von „nach Corona“ gesprochen, aber das wird wohl so schnell nicht sein. Zu viele große Herausforderungen sind weiterhin da. Gesundheitliche und politische Unsicherheiten schränken unsere Freiheit ein und drohen unsere Gesellschaft eher zu spalten. Wir bemerken zunehmend, dass in der aktuellen Krisenzeit viele Menschen um uns herum wieder an Grenzen im Leben stoßen. Wo ursprünglich der Zusammenhalt und die Solidarität gelebt und gefeiert wurden, tritt nun Skepsis auf – bemerken wir stattdessen nun das „Ende der Gemeinsamkeit“, wie Die Furche titelt?
All dem möchte ich besonders am Beginn dieser Adventzeit, für die Weihnachtszeit und das neue Jahr voll Zuversicht ein klares Wort aus dem II. Vatikanischen Konzil entgegenstellen:
„Im Notwendigen Einheit
im Zweifel Freiheit
in allem die Liebe.“ (Gaudium et Spes, Nr. 92)
Diese Botschaft ist im Blick auf das Kommen Jesu in unsere Welt Wegweisung für uns alle. Sie ermutigt dazu, den Blick vertrauensvoll in die Weite zu richten. Dieses Wort fordert uns heraus mit Zuversicht an unsere existenziellen Grenzen zu gehen. Es lädt uns ein, in diesem Sinn Beziehungen zu pflegen, mehr an unsere Umwelt zu denken, das Leben zu schützen, Verantwortung zu übernehmen, im Einsatz und Dienst für unsere Nächsten. Gerade jetzt in der Gegenwart, sind wir herausgefordert das Beste für unsere Zukunft zu tun – in Einheit Freiheit und Liebe neu anzufangen!
Mit herzlichen Grüßen aus dem Kardinal König Haus wünsche ich eine gesegnete Advent- und Weihnachtszeit mit viel Mut, Kraft und Durchhaltevermögen; aufeinander achtsam Rücksicht zu nehmen sowie sich und andere gut zu schützen.
P. Friedrich Prassl SJ
P. Hugo M. Enomiya-Lassalle SJ – Brücke zum Zen
© Kardinal König Haus
Zum 123. Geburtstag von P. Hugo M. Enomiya-Lassalle SJ, geb. am 11.11.1898, Jesuit und Zen-Lehrer
Zen ist eine Überlieferung, die nicht auf Buchstaben und Doktrinen beruht, „direkt von Herz zu Herz“ heißt es in einem alten Zen-Gedicht. ZaZen, „Sitzen in Versunkenheit“ ist ein Weg der persönlichen existentiellen Erfahrung, und für jeden Menschen möglich, unabhängig von Herkunft oder Alter. Der Jesuitenpater Hugo M. Enomiya-Lassalle (1898-1990) war als junger Mann 1929 nach Japan gekommen, hatte in Hiroshima die Atombombe überlebt und begann erst mit ca. sechzig Jahren intensiv Zen zu üben. Er tat dies, weil er nach einer Form des Gebetes passend für japanische Christen suchte, die mit dem vielen Reden im Gottesdienst nichts anfangen konnten.
Stille und Schweigen als Weg spiritueller Praxis: In den europäischen Kirchen ist dies in den letzten drei Jahrhunderten weitgehend verloren gegangen – und manchmal auch verboten worden. In der Zen-Praxis fand Lassalle diese Dimension wieder. Ein Weg in die Tiefe des Herzens, auf dem gilt, was der spanische Mystiker und Kirchenlehrer Johannes vom Kreuz (1542-1591) empfiehlt: „nada, nada“, „nichts, nichts“.
Natürlich gab es erheblichen Widerstand gegen P. Lassalles Projekt. Es wurde zunächst untersagt, doch dann kam das Zweite Vatikanische Konzil und das Konzilsdokument „Nostra aetate“ (1965), das die Wahrheit anderer Religionen anerkennt und auffordert, Christen mögen die „geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern“ (Art.2).
P. Lassalle gelang es, gemeinsam mit Yamada Koun Roshi, seinem Zen-Meister, eine Brücke zwischen Buddhismus und Christentum zu bauen. Wie schwierig das war, durfte ich als seine Schülerin und Biographin aus seinen Tagebüchern erfahren – gesprochen hat er drüber kaum je. Dass ich ihm begegnen durfte, war für mein Leben entscheidend.
Heute gibt es eine ganze Reihe Christen, die Zen-Meister sind – wie Ana Maria Schlüter Rodés in Spanien oder Niklaus Brantschen in der Schweiz, und in der zweiten und dritten Generation in Europa, den USA, auf den Philippinen und in Japan.
Die Meditationsschemel, die heute ganz selbstverständlich im Kardinal König Haus benützt werden, verdanken wir der Vermittlung von P. Lassalle. Japanische Zen-Meister hatten dieses „Sitzgerät“ für ihre Laienschüler*innen entwickelt, und Lassalle vermittelte es an einen jungen Deutschen weiter. Der hatte ihn um Hilfe gebeten, weil er nicht mit verschränkten Beinen sitzen konnte. Heute gibt es in fast allen Bildungshäusern und vielen Klöstern solche Meditationsschemel, und die Texte der christlichen Mystiker sind leicht zugänglich. Auch dies geht auf das Wirken von P. Lassalle zurück.
P. Lassalle war überzeugt davon, dass der Zen-Weg eine Hilfe in der gegenwärtigen Krise der Menschheit sein kann – ein Weg, den Egoismus aufzulösen, das Verbindende zu sehen und die Tiefe des unaussprechlichen Geheimnisses selbst zu erfahren.
„Den Weg zu verstehen heißt, sich selbst zu erkennen. Sich selbst zu erkennen heißt, sich selbst vergessen. Sich selbst zu vergessen heißt, eins zu sein mit allem, was existiert.“ (Dogen Zenji, 1200-1253)
Dr. Ursula Baatz
PS: Ausführlich kann man sein Leben in „Hugo M. Enomiya-Lassalle, Mittler zwischen Buddhismus und Christentum“ (ToposVerlag) nachlesen.
Ignatianisches Jahr
© Kardinal König Haus
Herzliche Einladung zu Filmabenden und Seminarreihe
Die ignatianische Spiritualität gründet in tiefen menschlichen und mystischen Erfahrungen des Inigo von Loyola. Dem Leben dieses Basken auf die Spur zu kommen, seiner Bekehrung, seinen Erfahrungen als Pilger und seiner Idee zur Gründung des Jesuitenordens, ist Absicht der Veranstaltungen im Jubiläumsjahr der Jesuiten.
Über die jeweiligen Links kommen Sie zu detaillierten Informationen und zur Anmeldung. Herzliche Einladung vom Team für Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus!
Für alle Interessierten gibt es bei unseren Filmabenden einen Einblick in das Leben und Wirken des hl. Ignatius.
Filmabend am 12.11.2021: Das Leben des hl. Ignatius
Filmabend am 6.5.2022: Unterscheidung/Entscheidung nach Ignatius
Ein Tag zum Schweigen und Beten, 2.4.2022: Besinnungstag mit Texten aus dem Exerzitienbuch
Geistliche Begleiter*innen, Exerzitienbegleiter*innen und in der Pastoral Tätige laden wir zu unserer Seminarreihe zur Fortbildung in ignatianischer Spiritualität herzlich ein.
Seminar 12.-13.11.2021 (inkl. Filmabend): Das Leben des hl. Ignatius und der Bericht des Pilgers
Seminar 6.-7.5.2022 (inkl. Filmabend): Unterscheidung / Entscheidung nach Ignatius
Bei Teilnahme an beiden Seminaren und dem Besinnungstag erhalten Sie ein Zertifikat!
Tiefe und Weite
© Kardinal König Haus - Georg Nuhsbaumer
Glaube als Kraftquelle
Kraftquellen für das persönliche Leben gibt es viele. Ich weiß, dass mich der Blick von einem Berggipfel bei einer Tour am Wochenende durch so manche anstrengende Woche tragen kann, dass ich nach zwei Stunden Sport besser schlafe und mehr Energie für den nächsten Tag habe, dass mich ein Abend mit einem Freund und guten Gesprächen einige Zeit erfüllen kann oder ein gutes Buch oder eine Theater- oder Opernaufführung inspiriert. Mein Glaube als Kraftquelle ist dabei noch einmal anders.
Bei der Zusage, darüber zu schreiben, habe ich gezögert. Wenn, dann wollte ich keine allgemeinen theologischen Aussagen machen, die mir oft wenig hilfreich erscheinen, sondern persönlich davon sprechen. Mein persönlicher Glaube ist aber etwas fast Intimes. Auch als Theologe fällt es mir nicht leicht darüber zu schreiben. Menschen, die das freimütig tun, begegne ich selbst immer mit einem gewissen Vorbehalt. Will ich etwas von meiner persönlichen Glaubenspraxis preisgeben? Finde ich die richtigen Worte, die das verständlich machen, was mich bewegt? Laufe ich dabei Gefahr, etwas Wertvolles in mir zu entzaubern, indem ich es öffentlich mache? Diese und ähnliche Fragen gingen mir durch den Kopf, bevor ich mich doch dazu entschlossen habe. Ich habe es vor allem deshalb getan, weil ich darin die Möglichkeit gesehen habe, das Thema für mich selbst zu reflektieren.
Glaube mehr als eine Kraftquelle
Wenn Glaube das Leben in einer Beziehung zu Gott meint, dann ist Glaube mehr als eine Kraftquelle. Es geht nicht darum, Glauben zu reduzieren oder zu instrumentalisieren. Wir alle kennen den heutigen Zeitgeist, wo für viele Menschen Meditation eher nur ein weiteres Tool zur Selbstoptimierung zu sein scheint. Glaube, Gebetsleben oder spirituelle Praxis sind aber kein Automatismus der zu persönlicher Energie führt. Gott ist unverfügbar und Glaube ist nicht immer eine Kraftquelle. Die Erzählung vieler Heiliger beschreibt, dass auch sie die Erfahrung seelischer Trockenheit und Gottverlassenheit kennen. Mich selbst fordert die Begegnung mit Gott immer wieder heraus, weil sie mich in Frage stellt. Manchmal kostet mich das Überwindung. Denn Glauben verlangt von mir zu vertrauen. Wie aber erlebe ich Glauben konkret als Kraftquelle in meinem Alltag?
Unterbrechung
Von dem katholischen Theologen Johann Baptist Metz (1928-2019) stammt die wahrscheinlich „Kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung“. Er meint damit die irritierende Unterbrechung des Faktischen. Ich erlebe das so. Ohne Unterbrechung kommt die Tiefendimension des Lebens nicht ins Spiel. Ich sehne mich aber nach Tiefe, weil ich weiß, dass es das ist, was mich eigentlich trägt. Der frühere Generalobere der Jesuiten P. Adolfo Nicolas SJ hat davon gesprochen, dass wir die Globalisierung der Oberflächlichkeit erleben. Unterbrechen kann dabei so etwas wie eine Tiefenbohrung sein.
Persönlich erlebe ich verschiedene Formen von Unterbrechung täglich, wöchentlich oder einmal im Jahr als hilfreich: Wenn ich in der Früh schaffe 10 bis 20 Minuten auf meinem Meditationsplatz Stille zu halten, wird der Tag anders. Und gerade an Tagen oder in Zeiten, wo mir das nicht gelingt, weil ich meine „das geht sich heute nicht aus“, würde ich es eigentlich besonders brauchen. Der Sonntag – in der Tradition des Shabbat – kann für mich wirklich zur Quelle werden. Habe ich Zeit für den Gottesdienst, für Gespräche für Ruhe oder verplane ich auch diesen Tag? Im Sommer ziehe ich mich eine Woche zu Exerzitien im Schweigen zurück: nichts lesen, keine E-Mails, kein Handy, mehrmals täglich Bibelbetrachtung und Gebet.
Aber auch zwischendurch entdecke ich manchmal Momente als Gelegenheit zur Unterbrechung: das Warten auf die U-Bahn oder an der Ampel, im Wartezimmer beim Arzt, bis der Kaffee fertig ist. Die größte Gefahr für Momente und Zeiten der Unterbrechung ist für mich in den letzten Jahren mein Smartphone geworden. Statt Unterbrechung und Tiefe verleitet es mich zur Zerstreuung. Als Kraftquelle erlebe ich das dann selten.
Dankbarkeit
Ignatius von Loyola (1491-1556), der Gründer des Jesuitenordens, war ein Kenner der menschlichen Seele. Für den täglichen Tagesrückblick weist er seine Mitbrüder an, immer bei dem zu beginnen, wofür man dankbar ist und dann erst auf das zu schauen, was einen unversöhnt zurücklässt.
Persönlich erlebe ich diese Übung in mehrfacherweise wirklich als Übung. Ich muss lernen und zulassen, dass ich meine echten inneren Bewegungen spüre und sie mir bewusst mache. In der täglichen Wiederholung habe ich die Gelegenheit meinen Blick und meine Aufmerksamkeit zu trainieren, auf all das Gute und das Empfangene in meinem Leben zu achten. Dieses „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“ ist für mich eine Quelle von Kraft und Zuversicht, die mich auch Dinge und Zeiten aushalten lässt.
Jesus Christus
Eine dritte Form, in der ich Glaube als Kraftquelle erlebe, klingt mir selbst fast als zu fromm. Auf Jesus Christus zu schauen gibt mir Kraft. Im Lesen und Meditieren einer Bibelstelle kann ich mich mit seinem „Mindset“ vertraut machen. Es inspiriert mich, immer mehr zu verstehen, wie er denkt, redet, und handelt. Und ich kann ihn mir darin zum Vorbild nehmen. „Imitatio Christi“ – die Nachahmung Christi – als eine Lebensweise ermutigt mich immer wieder, Dinge zu tun oder auf eine Weise zu tun, die ich sonst nicht so machen würde. Die Kraft dazu gibt mir das Beispiel von Jesus. Es ist für mich aber auch Kraftquelle, in der Stille einfach seine Freundschaft zu genießen.
Glaube mehr als individuelle Spiritualität
Glaube als Kraftquelle zu erleben, ist persönlich und damit meine Verantwortung diese zu pflegen. Für christliche Spiritualität ist aber die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft aller Gläubigen und die Gemeinsamkeit aller Menschen konstitutiv. Die Erfahrung von gelebter Gemeinschaft kann selbst zu einer Quelle von Kraft des Glaubens werden. Sie wird dadurch aber auch eine Quelle mit großem Horizont und lässt mich Gottes Wirken nicht nur hier und jetzt für mich sehen, sondern in Jahrtausende alter Tradition: Geschichte und Perspektive auf eine Zukunft hin für alle Menschen und die Welt als Ganzes. Die Kraftquelle Glaube hat damit beides: Tiefe und Weite.
Georg Nuhsbaumer
Theologe und Organisationsentwickler
Leiter der Bereichs Christlich inspirierte Führung und Organisationskultur im Kardinal König Haus
Ignatiusfest
Am 31. Juli feierten die Jesuiten in Wien mit zahlreichen Freund*innen das Fest des Hl. Ignatius von Loyola. Superior P. Markus Inama SJ zelebrierte in der Konzilsgedächtniskirche in Lainz die Eucharistiefeier, bei der Sr. Christine Rod MC zum Motto des Ignatianischen Jahres „Alles in Christus neu sehen“ die Predigt hielt. An der anschließenden Agape im Kardinal König Haus nahmen – unter Einhaltung der geltenden Coronaregeln – über 200 Gäste teil. Es hat allen spürbar gut getan wieder einmal miteinander ein Fest zu feiern und unbeschwert ins Gespräch zu kommen.
Ignatianisches Jahr 2021-2022
© Kardinal König Haus
Alles in Christus neu sehen
Der Jesuitenorden feiert weltweit ein Jubiläum und erinnert 2021/2022 an die Bekehrung seines Gründers Ignatius von Loyola (1491-1556) vor 500 Jahren. Offiziell eröffnet wird das Gedenkjahr am 20. Mai 2021, dem 500. Jahrestag der Verwundung Ignatius in Pamplona und dem Beginn seiner Bekehrung. Das Gedenkjahr endet am 31. Juli 2022, dem Todestag des Ordensgründers.
Im Jahre 1521 wurde die Genesungszeit im Haus seiner Familie in Loyola für Ignatius eine Phase der inneren Wende und Umkehr. Nach dem Aus seiner weltlichen Karriere wurde in ihm der Wunsch der Nachfolge eines „neuen Herrn“ stärker, nämlich Jesus Christus zu dienen. Sein Weg der Bekehrung führte ihn zunächst in das Kloster Montserrat und weiter nach Manresa. Als Ignatius in Manresa eintraf, entschlossen, von dort eine Pilgerreise ins Heilige Land zu unternehmen, begab er sich auf die geistliche Reise eines suchenden Neubekehrten, der auf der Suche nach Gott ist. Mit seinen Augen lernte er die Welt neu zu sehen. Sie wurde für Ignatius ein Ort, an dem das Feuer der Liebe und Gegenwart Gottes überall gesucht und gefunden werden kann. Um anderen Menschen diese Weltsicht zu eröffnen, schuf Ignatius einen einmaligen spirituellen Übungsweg – die geistlichen Übungen, die Exerzitien. Sie sind ein geistliches Vermächtnis, ein privilegiertes Instrument, um Menschen den Weg zu Gott zu weisen. Der Leitspruch dieser Jubiläumsfeierlichkeiten – „Alle Dinge in Christus neu sehen“ – unterstreicht, dass diese Zeit auch für uns eine Gelegenheit sein kann, selbst „erneuert zu werden“.
In diesem Gedenkjahr soll die Hoffnung stärker werden, die zu gemeinsamen Anstrengungen antreibt, die Wunden der Natur zu heilen und eine bessere Welt für künftige Generationen zu bereiten. So, wie unser Ordensgründer Ignatius für uns Jesuiten auf dem Weg der Nachfolge inspirierend ist, um unsere Herzen zu öffnen und den Heiligen Geist zu empfangen, so möge er viele Menschen mit seiner Spiritualität begleiten und uns alle mit der „Kühnheit für das Unmögliche“ beschenken.
P. Friedrich Prassl SJ
Angebote vom Bereich Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus für dieses Jubiläumsjahr
Weitere Infos finden Sie hier: https://ignatius500.global
"To better serve the mission"
© Kardinal König Haus - © Magdalena Schauer-Burkhart
Interview mit P. Bernhard Bürgler und Georg Nuhsbaumer
Ab April 2021 ändert sich vieles für die Jesuiten. Es wird eine neue zentraleuropäische Provinz gebildet, die sich über Ländergrenzen hinweg erstreckt. Die neue Struktur soll dazu dienen, dass die Jesuiten ihre Sendung besser ausüben können. P. Bernhard Bürgler, momentan Provinzial der österreichischen Jesuitenprovinz und ab April Provinzial für die gesamte zentraleuropäische Provinz, und Georg Nuhsbaumer, Organisationsentwickler im Kardinal König Haus Wien, geben Einblick in die Schritte, die der Gründung der zentraleuropäischen Provinz vorangingen. Die neue Provinz wird insgesamt 36 Standorte in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Litauen, Lettland und Schweden mit insgesamt 442 Mitbrüdern umfassen.
Warum ist ein Zusammenschluss der richtige Weg, und welche Signalwirkung hat er?
P. Bernhard Bürgler: Wir gehen diesen Schritt auch, weil unsere Zahlen zurückgehen, aber das ist nicht der einzige Grund. Wir machen das, weil sich die Zeiten geändert haben und sich auch weiterhin ändern. Es ist mehr Zusammenarbeit gefordert, und das birgt auch Chancen. Gleichzeitig ist es für uns irgendwie auch ein Zurückgehen zu unserem Gründungscharisma: Wir schauen wieder über Ländergrenzen, denken nicht mehr in Nationalitäten, sondern darüber hinaus.
Die Gründung der Gesellschaft Jesu gestaltete sich so, dass sich verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlicher Herkunft getroffen haben, die alle einen Auftrag spürten, nämlich die Botschaft Jesu zu verkünden. Hinter ihm ist alles andere wie zurückgetreten. Im Laufe der Geschichte bildeten sich dann Provinzen, die oft identisch waren mit Ländern. So kam etwas wie Nationalitäts- oder Provinzbewusstsein auf, das eigentlich gar nicht zu uns passt.
Georg Nuhsbaumer: Ich sehe in diesem Prozess einen Punkt, der sich mit einem zentralen Anliegen von Papst Franziskus trifft, nämlich der Anregung hin zu einer synodalen Kirche. Das heißt, Organisationseinheiten, Strukturen, Menschen in der Kirche dazu anzuregen, gemeinsam auf Gott zu hören. Neu zu fragen, was ist es, das heute Gott von uns möchte, und in welche Richtung wir dazu gehen sollen.
Wie gestaltete sich der Prozess?
Georg Nuhsbaumer: Bereits 2011 hat der damalige Generalobere der Jesuiten den Impuls gesetzt, dass der Jesuitenorden seine Strukturen weltweit auswerten, reflektieren und neu ordnen soll. 2017 gab es dann das erste Treffen der Provinziäle in Zentraleuropa, und man bildete eine Steuerungsgruppe, die ich als Organisationsentwickler begleitet habe. Die Gruppe setzte sich aus acht Personen zusammen, zwei aus jeder Provinz, einem Provinzial und einem Mitbruder aus dem Provinzkonsult.
P. Bernhard Bürgler: Begonnen hat der ganze Prozess damit, dass sich die Provinzen in Zentralosteuropa überlegt haben, wer mit wem in einen solchen Prozess gehen könnte. Im Laufe der Zeit hat sich dann herauskristallisiert, dass die vier Provinzen Deutschland, Österreich, Schweiz und Litauen einen Weg gehen wollen. Natürlich gab es dann auch Diskussionen, verschiedene Meinungen, auch Widerstände gegen manches. Aber ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass wir das alle wirklich wollen und gemeinsam an einem Strang ziehen und nach einer guten Lösung suchen.
Georg Nuhsbaumer: Für mich waren drei Dinge spannend. Erstens, dass die Jesuiten selbst den Schritt als eine Neugründung verstanden haben, nicht als eine Umstrukturierung oder Fusionierung. Das gibt so einem Prozess einen ganz anderen Charakter. Zweitens wurde ein bestimmtes Organisationsmodell gewählt, an dem sich der Prozess ausgerichtet hat. Da stand klar die Frage im Zentrum: „Wofür machen wir das?“ Und das war in diesem Prozess das apostolische Wirken des Jesuitenordens zu stärken. Und drittens gab es auch immer ein gemeinsames Hinhören aufeinander, aber auch ein Hinhören auf „Was will Gott in dieser Situation mit den Jesuiten in Europa?“. Bewusst gemeinsames Schweigen war ein Element in diesem Prozess.
Tipps an andere Gemeinschaften?
P. Bernhard Bürgler: Schaut nicht auf das, was ihr vielleicht verlieren könntet, sondern schaut auf das, was der Gewinn sein könnte. Eine große Chance ist, dass man aus seinen eingefahrenen Spuren herauskommt, ja, herausgerissen wird. Damit zusammen hängt auch, dass es gut ist, sich Hilfe von außen, also eine Form der Begleitung zu holen, um Wege zu finden, die zu Neuem führen und uns wirksamer werden lassen. Denn unser Blick ist oft sehr eng, und wir denken meist zu eingeschränkt.
Georg Nuhsbaumer: Innere Bilder helfen. Das Beispiel zu denken, dass jetzt nicht vier Provinzen zusammengelegt werden, sondern dass 36 einzelne Kommunitäten zusammenkommen. Das hat ganz rasch etwas eröffnet und einen anderen Blickwinkel auf dieses Projekt gegeben. Es sagt besser aus, dass es Jesuiten sind, die alle in Kommunitäten leben, die jetzt zusammenkommen.
Auswirkungen, Vorteile, Visionen?
P. Bernhard Bürgler: Was ich mir erwarte, ist, dass durch das größere Gebiet bestimmte Mitbrüder möglicherweise besser und ihren Fähigkeiten und Charismen entsprechender eingesetzt werden können. Weil es eben in diesem größeren Gebiet Felder gibt, in denen sie arbeiten können, die es vielleicht dort, wo sie früher waren, nicht gab. Das ist wohl ein Vorteil eines größeren Bereiches.
Georg Nuhsbaumer: Ein Kriterium, das sich die neue zentraleuropäische Provinz gegeben hat, war, sich nach apostolischen Feldern auszurichten. Also nicht regional zu schauen, wie man sich organisiert, sondern auf das Apostolat hin. Und das ist, glaube ich, ein Vorteil. Man blickt dann mit einem breiteren Horizont auf das jeweilige Feld und kann Profile schärfen. Eine Einrichtung wie das Kardinal König Haus in Wien wird dadurch jetzt die Möglichkeit haben, mit Bildungshäusern in Deutschland und der Schweiz gemeinsam zu denken.
P. Bernhard Bürgler: Ich blicke mit großer Zuversicht in die Zukunft, ich freue mich auf die neue Provinz. Ich habe ein gutes Team und ich denke, wir bauen an dem weiter, was wir bisher gemacht haben. Es ist "work in progress", aber es ist ein spannendes Unternehmen. Und eine wichtige Haltung bei dem Ganzen scheint mir zu sein, beweglich zu sein, zu werden und zu bleiben. Sich umzustellen, sich einzulassen auf Neues, auszuprobieren, Fehler zu machen, neu anzufangen. Das, denke ich, ist für uns oft nicht ganz leicht. Wir hätten es lieber anders, aber es ist wichtig im Leben,
in eine offene Haltung hineinzuwachsen.
Magdalena Schauer-Burkart
Das Video zum Interview können sie hier nachsehen: https://www.ordensgemeinschaften.at/artikel/6122-to-better-serve-the-mission
Gesegnete Ostern 2021
© Kardinal König Haus - George F. Watts, After the Deluge: 1885
31.03.2021 | Gruß des Direktors
Liebe Freund*innen und Partner*innen des Kardinal König Hauses!
Dieses strahlende Bild, „Der einundvierzigste Tag nach der Sintflut“, hat für mich heuer auch eine österliche Bedeutung gewonnen. Nach vierzig Tagen Fastenzeit, nach fast 400 Tagen Coronazeit, nach stürmischen, „sintflutartigen“ und eher dunklen Zeiten des vergangenen Jahres ist für mich noch immer – ja, immer mehr – auch strahlendes Licht im Blick.
Gerade zu Ostern verbunden mit dem Bild der Auferstehung und dem Leben. Ich denke allerdings nicht nur zu Ostern an die Auferstehung und das Leben – im Blick auf Jesus Christus. Dieser hoffnungsvolle Gedanke begleitet mich auch nicht erst seit Beginn der Coronapandemie vor einem Jahr, mit allen schwierigen und schmerzvollen Einschränkungen. Das Bild der Auferstehung und des Lebens, verbunden mit Hoffnung, Zuversicht und Dankbarkeit, ist für mich viel umfassender. Ein Text von Christl Fink hat mich vor kurzem darin bestärkt.
Ostersonntag ist nicht am Ostersonntag,
es kann jeder Tag sein, dein Ostersonntag.
Am Montag, Dienstag oder auch Freitag;
Immer dann, wenn das Leben siegt.
Wenn sich die Hand, auf die du so lange gewartet,
dir entgegenstreckt zur Versöhnung, zum Neubeginn,
wenn du selbst einen neuen Anfang wagst,
wenn du in seiner Kraft plötzlich Mauern überspringst,
als ob sie nicht mehr wären,
wenn du eine neue Geste der Hoffnung findest,
ein neues Wort, das vom Leben singt.
Es ist jetzt über ein Jahr her, dass wir in unserem Bildungszentrum – ebenso wie viele, viele andere Menschen und Institutionen weltweit – die ersten offiziellen Maßnahmen gegen die Herausforderungen der Coronapandemie ergriffen haben. Und noch immer ist unser Alltag davon stark beeinträchtigt. „Hoffentlich können wir nach Ostern wieder öffnen“, habe ich vor einem Jahr geschrieben und an Ostern 2020 gedacht. Vieles von dem, was ich vor einem Jahr gedacht und erlebt habe, gilt leider immer noch. Die Coronapandemie bringt unseren Lebensalltag nach wie vor durcheinander, verunsichert uns, schränkt unsere Arbeits- und Lebensgrundlagen ein – existenziell, aber auch ökonomisch. In vielen Bereichen sind Ausmaß und Spätfolgen des bisher Erlebten noch lange nicht endgültig absehbar. Die Sorge darüber wird eher stärker.
Es fällt nicht leicht in dieser Krise auch Chancen zu sehen, um selbst zu wachsen, um reifer zu werden. Ich bemerke trotz meiner Zuversicht als realistischer Optimist oft hilflos, dass Gewissheiten und Handlungsweisen, die vielen Menschen bisher Halt und Stabilität gegeben haben, nur mehr zum Teil ermutigend und stärkend sind. Viele Menschen sind aufgrund der aktuellen Lage zunehmend ungeduldig, es reicht ihnen, sie haben keine Lust auf Masken, keine Lust auf geschlossene Läden und vor allem auf schmerzliche Kontaktbeschränkungen. Geforderte und vorschnell gewährte Lockerungen erweisen sich zunehmend als zusätzliche Belastungen, die Menschen ihre letzte Hoffnung rauben, enttäuschen und frustrieren. Es liegt jedoch viel an uns, wie der Weg durch und besonders nach der Pandemie weitergeht, auch wenn es seit einem Jahr immer schwerer fällt für Vieles in unserem alltäglichen Leben Verständnis und Dankbarkeit zu empfinden und auszudrücken. Sorgen und Ängste durch die Coronapandemie trüben den Blick und behindern die Wahrnehmung von Gelegenheiten für echte Dankbarkeit. Die Coronapandemie könnte in diesem Sinn Gelegenheiten bieten, die uns helfen, uns neu zu besinnen und unsere Grundhaltungen, insbesondere die Dankbarkeit zu pflegen, indem uns deutlicher wird, was echte Dankbarkeit für uns wirklich bedeutet. Mich beschäftigt gerade in dieser Zeit das Thema der Dankbarkeit sehr. Mir fällt es nicht leicht mich über den Lockdown und die damit verbundenen Lebenseinschränkungen ständig nur zu beklagen und sie zu kritisieren. Eine ganz andere, dankbare Sichtweise auf viel Gelungenes und Geschenktes in dieser Zeit tut mir gut und ich ermutige mehr dazu.
Was echte Dankbarkeit auslöst,
ist nicht das Gegebene,
das wir entgegennehmen,
sondern die Gelegenheit,
die wir wahrnehmen. Br. David Steindl-Rast
Jeder Augenblick bietet dabei eine Gelegenheit etwas zu geben und zugleich auch dankbar etwas zu empfangen. Wir werden nie für alles dankbar sein können, was uns widerfährt. Aber alles kann eine Gelegenheit für Dankbarkeit werden, auch schwierige Situationen. Sie sind manchmal Anlass und Gelegenheit, daraus etwas zu lernen: Geduld, Verständnis, Offenheit, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit… Ich bin für vieles dankbar, das dem Kardinal König Haus im letzten Jahr in der schwierigen Situation geschenkt wurde. Ich bin dankbar, dass wir alle Mitarbeiter*innen im Betrieb behalten konnten und für viele Familien Halt und Sicherheit bieten konnten. Ich bin dankbar für staatliche Hilfeleistungen, die uns über schwierige wirtschaftliche Phasen hinweghelfen. Ich bin dankbar für technische Entwicklungen und Erneuerungen des letzten Jahres. Ich bin dankbar für alles, was sehr wohl möglich war an Bildungsaktivitäten im Haus, was auf dem digitalen Sektor an Angeboten neu entstanden ist. Ich bin dankbar für viele Zeugnisse der Hilfsbereitschaft im Alltag, für neue Formen der Kommunikation, für die Wertschätzung von persönlichen Begegnungen, wo sie möglich waren und sind. Ich bin dankbar für ein großartiges Bildungsprogramm im Haus, für die Zuversicht, dass es gut weitergehen wird in der „Zeit danach“. Gemeinsam schaffen wir es!
In herzlicher Verbundenheit wünsche ich eine gesegnete Osterzeit sowie weiterhin Zuversicht, Hoffnung, Dankbarkeit und vor allem gute Gesundheit,
Friedrich Prassl SJ
17.02.2021 | Aschermittwoch - Impuls zum Beginn der Fastenzeit
© Kardinal König Haus
Sich wandeln und verwandeln lassen
Die Fastenzeit steht wieder vor der Tür. Die besonderen Umstände der Corona-Pandemie werfen auch heuer ihre Schatten darauf. Es ist eine geprägte Zeit im Jahr, um mich im Blick auf Ostern zu besinnen, was ich selbst in meinem Leben aktiv verändern möchte.
Was ist mir wirklich wichtig?
Was will ich lernen?
Worin und woran möchte ich wachsen?
Was bedeutet es für mich, den Augenblick achtsam zu leben, Frieden im Herzen zu finden, die Menschen zu lieben, Güte zu wagen, Verständnis zu üben, einander von Herzen gut zu sein, Dankbarkeit zu empfinden?
Bin ich überhaupt bereit mich in diesem Sinn verwandeln zu lassen?
Die Antworten auf diese Fragen muss ich mir immer wieder selber ehrlich geben können. Eine bewusste Fastenzeit kann mir dabei helfen. Es geht dabei nicht so sehr um ein mehr oder weniger Essen – das ist nicht wichtig. Es geht auch nicht um eine radikale Änderung meiner Lebensgewohnheiten. Manchmal ist es einfach ein achtsames Verbessern von Nachlässigkeiten in meinem Alltag. Es geht um mein ehrliches Bemühen Falsches zu bemerken, Trennendes zu überwinden, Belastendes zu entfernen. Es geht um ein Freiwerden von dem, was mich auf meinem Lebensweg behindert, was mich im Innersten bedrückt. Es geht um Anders-Denken, Neu-Denken, Umdenken, es geht oft um Umkehr, damit sich in meinem Leben vieles zu mehr freudiger Lebendigkeit hin wandeln kann.
Henry Newman hat das einmal so beschrieben: „Leben heißt sich verändern. Vollkommen sein heißt, sich oft verändert zu haben.“ Auch wenn wir die Vollkommenheit nicht erreichen werden, möge uns etwas davon in dieser besonderen Fastenzeit in unserem Leben gelingen! Unser Blick darf sich wieder hoffnungsvoll auf Ostern, Auferstehung und Leben in Fülle richten.
Der Glaube, Zuversicht, Vertrauen, Freude und Dankbarkeit verstärken die Bereitschaft zur Wandlung – sich zu wandeln und sich verwandeln zu lassen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesegnete Fastenzeit!
P. Friedrich Prassl SJ
Ermin Joseph Döll *28.02.1936 + 23.01.2021
© Kardinal König Haus
Die Botschaft seines Lebens und Lehrens
Wer Ermin Döll kennenlernen durfte, dem sind aus den Begegnungen mit ihm seine ruhige Präsenz und seine wachen, nicht selten lächelnden Augen, in Erinnerung. Ermin sprach langsam, wie er ganz allgemein alles, was er unternahm, mit Bedacht und Aufmerksamkeit tat. „Langsam, langsam, nicht so schnell!“, so konnte er andere im Familienkreis und bei Kursen bisweilen bremsen. Nichts sollte „nebenbei geschehen“, alles in voller Präsenz. Darin liegt ein großes Geheimnis der Wirkung, die Ermin Döll auf andere hatte.
Gab es mit ihm etwas für kommende Kurse oder Unternehmungen zu besprechen, so war er stets natürlich und einfach. So war es gut möglich, Vorschläge, Bedenken oder Veränderungen einzubringen. Seine einfache und unkomplizierte Art hat es seinen Teilnehmer*innen möglich gemacht, ebenfalls unbefangen als Personen, die sie sind, da zu sein. Seine kleine Gestalt, sein ruhiges Wesen, seine einfache Sprache, alles hatte einen Ton von Einfachheit und Verständlichkeit.
Zweifellos haben Natur und Schöpfung in seinem Leben eine große Bedeutung. In jüngeren Jahren liebte er das Bergsteigen, um auch an die Grenzen zu gehen – oder darüber hinaus. Immer mehr wurde der Garten das Feld seiner Berührung mit Schöpfung und mit seinem Schöpfer. Schon als Franziskaner war dies zentrales Anliegen seiner Spiritualität. Mit seiner Familie in Wien hat er dann im Zusammenleben, im Garten, in seinen Wanderungen diesen Bezug zur ganzen Schöpfung in neuer Weise vertieft. Auch in seinen Kursen, wie im „Zen des glücklichen Wanderns“ (Buch und CD), ist dieser Aspekt höchst bedeutsam geworden. Sich in der Schöpfung Gottes bewegen, gehen, langsam und achtsam. Das „glaubwürdige Gehen“, egal wo, aber bevorzugt in der Schöpfung Gottes, als Meditation, als Hilfe für den „Weg nach innen“.
Das ist auch die Grundbotschaft seines Lebens: „Der Weg des Menschen geht nach innen – auf Gottesbegegnung hin!“ Das ist der rote Faden seiner Kurse, seiner Begleitung, seiner Lehre. Deshalb konnte er manchmal an Welt und Gesellschaft auch zu zweifeln beginnen, wohin sie denn läuft. Die Unruhe und Geschäftigkeit im Außen, die „Verzettelung“, sie war ihm verdächtig. Ermin liebte es auch tätig zu sein, für andere zu arbeiten, schien dabei aber ganz er selbst und bei sich zu sein.
Ein Markenzeichen seines Lebens, Lehrens und Schreibens ist zudem die Freude an den Originaltexten und den wirklichen Aussagen spiritueller Menschen, vor allem in Tradition und Mystik. So saß er im Wohnzimmer seiner Familie und war vertieft, las, dachte und sann darüber nach. Ob bei griechischen oder lateinischen Texten, es war ihm wichtig, aus den Quellen zu hören und zu verstehen, was die Mystiker und Mystikerinnen uns zu sagen haben. Daraus sind seine Vorträge entstanden, Schriften und Bücher (u.a. „Das Buch der ewigen Weisheit“). Der Weg der Mystiker*innen war ihm Leitbild und Beispiel. Immer wollte er Hinweise für den rechten Weg nach innen, für den Weg zum Geheimnis des Lebens finden.
Der Weg, den Ermin Döll lehrte, war ein praktischer und ganzheitlicher Weg, der auch den Leib miteinbezogen hat. Dieser Weg hat sich rationalen Abgrenzungen entzogen und konnte zu ungeahnten Erfahrungen führen. Ermin Döll hat in Meditation und Zen den Boden seiner geistigen Beheimatung nicht zurücklassen müssen. „Mich hat der Umweg zu den eigenen Wurzeln zurückgeführt, und zwar wirklich zu den Wurzeln christlicher Spiritualität, die ich in der christlichen Mystik, voran in Meister Eckhart, entdecken konnte“, so schreibt er. Ermin Döll gewann die Einsicht, dass die zunächst scheinbar so ganz verschiedenen Ausgangspunkte am Ende „zu einer Erfahrung führen, die als religiöse Grunderfahrung wohl hinter jeder institutionalisierten Religion liegt“. Hinfinden zur eigenen Identität, die „im eigenen Grund verwurzelt und verankert ist“ – jenseits aller Fremdbestimmung und Indoktrinierung! Durchstoßen zu dem Grund unseres Daseins – jenseits aller rationalen Selbst- und Gotteserkenntnis! So lehrte er eine Übung der Sammlung und Versenkung, die in der christlichen Mystik in etwa als „Gebet der Ruhe“ und des „schweigenden Offenseins“ bekannt ist.
Ermin Döll war ein gewissenhafter Mensch mit einem ausgeprägten Verantwortungssinn. Man konnte sich auf ihn verlassen. Das war im Bereich Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus ganz konkret zu erleben. Offenbar hat es ihn die letzten Wochen viel gekostet, diese Verantwortung für Menschen und Aufgaben abzugeben, loszulassen, so erzählt seine Familie.
Wie Meister Eckhart ging es ihm um die Praxis, er wollte nicht bloß Lehrmeister sein, sondern Lebemeister. Leben und Lehre waren für Ermin nie getrennt. Was er lehrte, wollte er auch leben. Und dabei zog ihn ein Geheimnis tief innen an. Das gab seiner Gegenwart noch ein ganz eigenes Leuchten. Er konnte in kurzen Begegnungen, in wenig Zeit eine große Wirkung auf andere ausüben. Eine ehemalige Kursteilnehmerin berichtet: „Auch ich habe bei ihm ein Einführungswochenende (für Zen) gemacht und das Gefühl, dass er weit in mein Leben hineingewirkt hat mit dieser kurzen Zeit.“ So hat er viele Menschen mitgenommen und mitgehen lassen auf dem Weg nach innen.
Im Bereich Spiritualität und Exerzitien werden wir mit Personen, die Ermin Döll selbst empfohlen hat, weiterführen, was er so fruchtbar hier im Haus und an anderen Orten begonnen und bewirkt hat.
P. Josef Maureder SJ
© Kardinal König Haus - Foto: Irmgard Volgger Veto
Begräbnis Ansprache, P. Maureder SJ (Joh 14,1-6)
Botschaften von Ermin Döll an uns, da wir Abschied nehmen.
• Geh den Weg nach innen –
die Natur wird dir helfen
Das war sicher die entscheidende Botschaft in seinem Leben und Lehren: Der Weg des Menschen, wenn er gelingen soll, geht nach innen. Selbst nicht im Außen, in der Fremdbestimmung hängen zu bleiben. Ganz man selbst werden, zum eigenen Grund, zur eigenen Identität finden. Und vor allem so zum Grund unseres Daseins durchstoßen, zum Grund allen Lebens. Es ging Ermin immer um die Gottesbegegnung.
Dazu passt es auch, dass Ermin ganz andächtig im Wohnzimmer sitzen konnte, Stunden, um die Originaltexte, die Quellen großer spiritueller Meister und Mystiker zu studieren. Eben nach innen gehen und hören, auch den Aussagen auf den Grund gehen, um sie ganz verstehen.
Auf dem Weg nach innen, zum Grund des Daseins war ihm die Schöpfung wie der goldene Weg (vgl. Bilder!). Auf die Berge steigen, im Garten arbeiten, das Zen des glücklichen Wanderns! Keine Frage, dass sich für Ermin die eingeübte franziskanische Spiritualität mit einer tiefen Erfahrung hier verstärkt hat. Die Erfahrung, dass vor allem in der Natur der Weg zum Schöpfer allen Lebens sicherer zu finden ist. Die Liebe zur Natur, zum Holz, zu den Tieren hat auch andere angesteckt (Daniel, Noemi).
> Geh den Weg nach innen, die Natur wird dir helfen!
• Geh langsam, wo auch immer du gehst –
damit du bei allem ganz dabei sein kannst
In verschiedenen Situationen konnte Ermin öfter sagen: „Langsam, langsam, nicht so schnell!“ Auch beim Reden: Nicht so nebenbei die Dinge sagen oder machen. Damit man ganz dabei sein kann. Das gleichmäßige Gehen, gleich wo, das war für ihn der Schlüssel, das Training, um präsent, da zu sein.
In relativ späten Jahren, Ermin war schon 57, da hat er sein Lebenskonzept nochmals geändert. Verschiedene Erfahrungen haben ihn dazu gebracht. Aber es war vor allem die Begegnung mit Eva. Wirklich kein leichter Schritt, kein einfacher Weg, durch ein Spalier von eigenen Zweifeln, der Fragen und Enttäuschungen anderer. Ermin war bereit, einen ganz neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Und auch hier zeigt sich das „Langsame Gehen“ und das Ganz dabei sein. Ermin war es wichtig, dass der Schritt keine Trümmer hinterlässt. Schritt für Schritt hat er in Begleitung vor Gott seinen Weg gesucht. Er konnte ehrlich danke sagen für die Zeit im Orden. Dann aber war er ganz da für die wachsende Familie ohne Rückblicke mit Bedauern. Es wirkt tatsächlich wie ein gelungener, ein geschenkter Abschied und Neubeginn. Bei all dem, was dabei auch weh getan hat. Langsam gehen, versöhnt auf dem Weg sein.
Einen Ausspruch von Meister Eckhart hat Ermin Döll vor allem geliebt. Er ist auch auf seiner Parte von der Familie gewählt worden: „Was ist die wichtigste Zeit? Die Gegenwart! Was ist der wichtigste Mensch? Der, mit dem Du gerade zu tun hast. Was ist das wichtigste Werk? Das, was Du gerade tust – in Liebe!“
> Geh langsam, damit du bei allem ganz dabei sein kannst – biblisch mit ganzem Herzen, voll Liebe!
• Bleib auf dem Weg –
heim zum Vater
So würde wohl Ermin einem jeden von uns heute sagen, so hat er es auch seinen Kursteilnehmer*innen gesagt: Bleibt auf dem Weg! Und es war für ihn in jedem Moment ein Heimweg zum Vater. Dieser Weg, wie es Meister Eckhart sagt, gelingt, wenn wir ganz bei dem sind, was wir tun und wenn wir es mit Liebe tun.
Ermin hat durch sein Leben gelernt, immer wieder auch Zelte abzubrechen, Dinge ganz aus der Hand zu geben, um Neues empfangen zu können. Und doch war dieses Leerwerden vor Gott, das Abgeben von Vielem, von dem er oft gesprochen hat, auch in der vorletzten Phase seines Lebens noch schwere seelische Arbeit. Er ist hindurchgegangen, auf dem Weg geblieben. „Vater, ich mach mich jetzt auf den Weg zu Dir nach Hause“, so haben ihn die Familienmitglieder in seinen Gesprächen mit Gott reden hören.
> Bleib auf dem Weg, heim zum Vater!
Liebe Familie von Ermin, Verwandte, Freunde!
Die Frohbotschaft aus dem Johannesevangelium, die wir soeben gehört haben, habe ich gewählt, weil es die Zusage Jesu an Ermin ist, in seinem treuen Gehen, auf seinem Heimweg:
- Da ist ständig vom Weg des Lebens die Rede. Von Jesus heißt es, dass ER hingeht zum Vater. Und dass wir diesen Weg kennen oder noch suchen, wie Thomas…
- Dann bindet Jesus den gelungenen Lebensweg an seine Person und seine Botschaft: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.
- Und die große Hoffnung: Im Haus des Vaters sind viele Wohnungen. Jesus verspricht hinzugehen zum Vater, um für uns einen Platz zu bereiten. Dann wird er wiederkommen, um uns zu sich zu holen. Jesus verspricht uns heimzuholen zum Vater. So wie es Ermin gewünscht und ersehnt hat.
In den letzten beiden Wochen ist Ermin Döll immer ruhiger geworden, nach innen gewandt, frei. Er ist dem näher gekommen, den er sein Leben lang gesucht hat. Auf Gott hin hat er in seinem Leben und in seinen Lehren für andere Brücken gebaut.
Gefragt, was Emin wohl an Grundbotschaften hinterlassen würde, meinte seine Frau so treffend – und man kann darin Ermin selbst sprechen hören:
„Grundsätzlich: Der Weg geht nach innen – auf Gottesbegegnung hin!“
„Zu den Kursteilnehmer*innen: Bleibt auf dem Weg!“
„Zur Familie: „Es war gut so. Seid glücklich!“
„Zur Gesellschaft: „Komm zum Wesentlichen! Mein Gott, diese Verzettelung!“
In großer Dankbarkeit erbitte ich mit vielen Menschen, die Ermin Döll gekannt, geschätzt und geliebt haben, dass er leben darf in Gottes Gegenwart. AMEN.
Erinnerungen an Ermin Döll von Frau Helene Hendling-Ehmayr
Donnerstag-Abend, Zen-Meditation mit Ermin Döll: für manche von uns der wichtigste Termin einer Woche, oft der einzige Ruhepol in der Betriebsamkeit des Alltags, immer aber eine persönliche, eine tiefe Begegnung mit Ermin, unserem verehrten und geliebten Lehrer.
Wenn jemand zum ersten Mal da war, erkundigte sich Ermin vorerst nach der bisherigen Meditations-Erfahrung, gab Anregungen für die Sitzposition und fragte am Ende vorsichtig nach, wie es denn gegangen wäre. Die Verständigung, noch dazu in einer Atmosphäre der Stille, war wegen seiner zunehmenden Schwerhörigkeit nicht so einfach. Aber nichts wurde zum Problem mit ihm, er blieb immer natürlich und unkompliziert, und dadurch konnten auch wir unbefangen sein. In Ermins Vorträgen zwischen der ersten und der zweiten Sitzeinheit ließ er uns großzügig teilhaben an seinen Einsichten in Zen und Mystik. Ermin Döll hatte eine wunderbare Sprechstimme, tief und sonor, er sprach langsam und mit dichten Pausen. Nach der abschließenden Rezitation – immer Worte des Angelus Silesius – standen wir im Kreis, ein Lächeln und „Ich wünsche allen einen guten Nachhause-Weg und eine ruhige Nacht!“ Und dann blies er die Kerze aus.
Helene Hendling-Ehmayr
Marcus Hillinger erinnert an ein Dichterwort, das Ermin sehr wichtig war und das er bei den Nachtwanderungen in Puregg am Sonnenaufgangsplatz gerne rezitiert hat:
Wohin auch meine Seele segelt, wandert oder fliegt,
alles, alles gehört ihr.
Welche Stille allenthalben.
Oh, wie gelassen die Seele,
wenn sie gleich einer reinen und einsamen Königin
ihr unendliches Reich in Besitz nimmt.
Juan Ramon Jimenez: Nocturno
© Kardinal König Haus - Foto: Irmgard Volgger Veto
Lebenslauf Ermin Joseph Döll
Geb. 28.02.1936 in Bamberg
Elternhaus in Roßstadt am Main
1942 – 1954 Schulbesuch in Roßstadt, Freiburg und Bamberg
1954 Abitur in Bamberg
1954 Eintritt ins Noviziat der bayrischen Franziskaner, im Franziskaner-
kloster Dietfurt an der Altmühl
1955 – 1961 Philosophisch-Theologische Hochschule der Franziskaner in München
1960 Priesterweihe
Seit 1962 Arbeit in verschiedenen Pfarren und als Religionslehrer
sowie im Leitungsteam des Meditationshauses St Franziskus in Dietfurt an der Altmühl
1992 Austritt aus dem Orden der Franziskaner
27.08.1992 Heirat mit Eva-Maria Westerhoff und Umzug nach Wien
17.07.1994 Geburt von Sohn Daniel
16.04.1997 Geburt von Tochter Noemi
Seit 1992 Kursleitung im Bereich Meditation an verschiedenen Bildungshäusern
(besonders Kardinal-König-Haus, Haus der Stille Puregg, Stift Zwettl, St Virgil)
Gestorben am 23.01.2021 im 85. Lebensjahr